Es ist schon immer wieder merkwürdig seine Sachen zu packen, sich ein letztes Mal umzublicken und dann das Haus der Gastfamilie zu verlassen. Ich werde in zwei Jahren wohl wieder hier sein, aber einige der Unseren vielleicht nie wieder. Trotzdem bin ich immer ein wenig wehmütig, wenn ich meine Gasteltern zurücklasse.
Schnell sind unsere letzten beiden Stunden an der Lincoln vergangen und der Bus wartet vor der Lincoln. Die amerikanischen Gastschüler sind vom Unterricht zur Verabschiedung freigestellt und so beginnen die herzzerreißenden Minuten des Abschiedes zwischen den Unseren und ihren neuen amerikanischen „Geschwistern“ auch einzelne Gasteltern sind extra noch einmal vorbeigekommen. Eine weinende Gastmutter verabschiedet sich mit den Worten „Thanks for bringing me my German daugther!“. Einige sehr intensive Verbindungen sind zwischen den Unseren und ihren amerikanischen Familien entstanden und so glitzern in vielen Augen Tränen und der ein oder andere gesteht ein schon morgens bei der Verabschiedungen mit den Tränen gekämpft zu haben.
Ich bin der Böse und scheuche die Schüler in den Bus, einige können sich nur schwer trennen, aber ich bekomme sie schließlich alle in den Bus. Wir winken bis wir außer Sichtweite sind und uns der Bus zu unserem nächsten Abenteuer führt: Chicago!
Nach über drei Stunden zeichnet sich am Horizont die Skyline von Chicago ab und wir quälen uns mit dem Bus durch den Baustellenverkehr, bis wir an unserem Hostel ankommen. Die Zimmer können wir noch nicht beziehen, die Check-In Zeit wäre erst ab 16 Uhr. Auf der Homepage steht was anderes und auch die letzten Jahre haben wir früher eingecheckt, aber naja. Also lagern wir unsere Sachen in einem Tagungsraum und ziehen direkt los. Unser Weg führt uns die Michigan Avenue entlang, immer in Richtung Norden. Wir bewegen uns zunächst recht langsam, da so viele Bilder gemacht werden.
Erster Stop: Faces of Chicago, einer Wasserinstallation mit projizierten Gesichtern. Schwups, die ersten stehen im Wasser. Dann sind die Schuhe halt nass…
Vorbei am „Founders of Millenium Park Memorial“, einem Brunnen… Schwupps hängt einer mit den Armen drin und der andere steht barfuß im Brunnen während andere Selfies machen.
Irgendwann bewegen wir uns weiter zum „Cloud Gate“ auch „The Bean“ genannt. Einer riesigen Edelstahlskulptur, die wie eine Bohne aussieht. Bilder über Bilder, ein Selfie jagt das nächste. Unterschiedliche Winkel, Posen, mit Sonne, ohne Sonne, alleine, in Gruppen, …
Wir müssen versprechen morgen nochmal vorbeizukommen, weil man ja noch im Reiselook sei und man die Bilder so nur schlecht bei Insta posten kann. (So nebenbei: Ich bin zu alt für den Sch***. Außerdem musste ich lernen, dass Snapchat doch nicht tot ist usw. Ich schaue derweil spazieren).
Die Michigan Avenue führt uns immer weiter durch die gigantischen Häuserschluchten der Stadt, über den Chicago River, entlang am Trump Tower, dem Hard Rock Hotel und anderen markanten Gebäuden die aus Filmen und Serien bekannt sind. Am „Chicago Water Tower“ (den einzigen Gebäuden die den großen Brand von 1871 überlebt haben) sind wir fast am Ziel, der Hancock Tower. Pro Sekunde befördert uns der Aufzug zwei Stockwerke nach oben und so sind wir schnell in der 94 Etage auf der Aussichtsetage. Ein grandioser Ausblick erwartet uns. Der Ausblick ist immer wieder gigantisch, auf den Lake Michigan bis zum Horizont oder auf die Skyline, bis ins Landesinnere. Eine gigantische Aussicht. Die interaktiven Perspektivfotos lassen es zu, dass auf den Monitoren selbst der entfernteste Winkel des hinterlegten Bildes angezoomt wird. Jetzt zoomen die Unseren auf Poll und Strandabschnitte, geben Menschen Namen und schauen ob und was sie tragen.
Als wir wieder „festen Boden“ unter unseren Füßen haben vereinbaren wir eine Uhrzeit und entlassen die Unseren in Kleingruppen auf die „Magnificant Mile“ zum Shoppen, Kaffee trinken und Abendessen. Der Kollege und ich gönnen uns einen Kaffee, schlendern durch die Gegend und überbrücken bis zum Treffpunkt. Alle sind pünktlich und in der einsetzenden Dämmerung laufen wir dann in Richtung unseres Hostels, betrachten die Lichter der Stadt und können final im Hostel auch endlich unsere Zimmer beziehen.
Zu einem späteren Zeitpunkt biete ich einen freiwilligen Spaziergang zur „Buckingham Fountain“ an. 11 von 14 ist kein schlechter Schnitt denke ich so, als wir an diesem warmen Spätsommerabend aufbrechen, um einen der größten Brunnen der Welt in Aktion zu erleben. (So nebenbei: Falls der geneigte Leser sich jetzt fragt, ob man diesen Brunnen kennen muss: JA! Es ist der Brunnen aus dem Vorspann von „Eine schrecklich nette Familie“). Ein spektakulärer Anblick aus beleuchtetem Brunnen und Skyline aus der Parkanlage ist immer wieder toll.
Als wir später unsere „Gute Nacht Runde“ machen finden wir die Unseren alle in einem Apartment, die einen hören Musik und reden, die anderen sitzen zusammen und spielen ein Spiel. (So nebenbei: Ein Spiel, so richtig mit Karten und so… Ich bin voller Freude!).
Der Kollege ist schon lange vor dem Wecker wach, so werde ich auch früh wach. Beim Frühstück treffe ich auf einige der Unseren aber auch auf eine andere Austauschgruppe aus Deutschland. Ich vermeide ein Gespräch.
Pünktlichst sind alle am Treffpunkt und bei strahlend blauem Himmel brechen wir auf zu einem neuen Tag in Chicago. Am Cloud Gate ist heute weniger los und so lassen sich viel tollere Bilder für „Insta und so“ machen. Heute dringen wir tiefer in den Park ein und gelangen so zu einem Spielplatz wie man ihn bei uns lange suchen kann. Tolle Spiel- und Klettergeräte für alle Altersklassen, blitzsauber, zahlreiche Sitzmöglichkeiten usw. Allerdings ist die Gruppe dieses Jahr nicht so „verspielt“ wie die der letzten Jahre und so gehen wir bald weiter zum Bootsanleger. Im Zick-Zack, Berg auf – Trepp ab nähern wir uns dem Anleger. Wir senken deutlich den Altersdurchschnitt auf der Bootstour, aber so wissen all die älteren Damen und Herren schnell, dass eine deutsche Schülergruppe mit an Bord ist. „so cute!“ ist einer der Sätze, die die Unseren vor der Abfahrt schon häufiger insbesondere von den Damen, gehört haben.
Judith ist unser Tourguide und macht mit fast 80 noch immer die Bootstouren und erklärt unermüdlich die Architektur und die Geschichte dieser grandiosen Stadt. Vom Fluss aus hat man eine ganz andere Perspektive als von den Straßen aus und so können wir sehr entspannt dem Vortrag lauschen und die Gebäude betrachten. 90 Minuten geballte Infos bei praller Sonne, aber danach auch um viele Informationen reicher.
Das Navy Pier eine Art Vergnügungspier am See, ist unser nächstes Ziel. Wir lassen sie laufen, denn hier können die Unseren schlendern, essen, Möwen, Menschen, Segelbote beobachten oder einfach nur die Stadt aus einer anderen Perspektive betrachten. (So nebenbei: Bei jedem Besuch meinerseits in Chicago hat sich die Skyline verändert und so kann ich auch dieses Mal Veränderungen sehen.)
Wir verlassen den Navy Pier und begeben uns in die schattigen Straßenschluchten der Magnificent Mile, nach all der Sonne nicht die schlechteste Idee. (So nebenbei: Ich sehe ohne Sonnenbrille schon aus wie ein Waschbär…).
Zum Treffpunkt sind alle überpünktlich und da sind sie: Die Abercrombie, Hollister und Victoria Secret Tüten. Noch vor einigen Tagen ging es darum, dass sie bisher nicht aufgetaucht sind.
Im Hard Rock Cafe haben wir eine Reservierung für das Abendessen und so sitzen wir bald an einer langen Tafel vor unseren Burgern und Sandwiches. Das Ende unserer Reise ist nahe. Aber bevor es zurück in unser Hostel geht, steht der unvermeidliche Besuch im Shop des Hard Rock Cafes an. Ich sehe Tüten über Tüten und bin wirklich gespannt, ob und wie alles in die Koffer passt.
Das große Zittern beginnt als wir die Koffer wiegen, aber mit einigen ganz wenigen Umverteilungen bekommen wir mühelos alle Koffer auf das richtige Gewicht. Auch wenn der eine oder andere Koffer sich gegen das Schließen wehrt.
Der Himmel ist stahlgrau am kommenden Morgen und auch die Wetterprognose für den Tag ist alles andere als gut. Wie schon befürchtet müssen wir die Pläne umstellen und gehen also nicht in den Lincoln Zoo sondern ins Field Museum. 20 Minuten von unserem Hostel befindet sich dieses gigantische Natur- und Wissenschaftsmuseum. Die Ausmaße der Ausstellungsflügel sind enorm und es gibt so viel zu sehen und entdecken. (So nebenbei: Nach dem Besuch hier weiß ich wie man auf die Idee für die „Nachts im Museum Filme“ gekommen ist. Genau so komme ich mir hier vor den gigantischen Modellen und den tausenden von Tierpräparaten vor!).
Einige Ausstellungen wirken rein optisch als seien sie aus den späten 40er Jahren (sehr angestaubt), andere wirken absolut modern und interaktiv. Auch zahlreiche Sonderausstellungen finden sich hier, wie bspw. eine zum Deutschen Brauwesen in Chicago und den großen Bieraufstand der Deutschen und Iren.
Durch die Fenster können wir beobachten wie Chicago in einem heftigen Dauerregen versinkt und wir das Museum erkunden. Wir passen später eine relativ regenarme Pause und verlassen nach fast vier Stunden das Museum und versuchen halbwegs trocken unser Hostel zu erreichen. Es dauert keine 5 Minuten und die Füße sind nass. Nach einem Stopp beim heiligen Panda (*Glitzer, pling-pling, strahlendes Licht & Engelssound*) beginnt die Reise zum Flughafen. Wir schaffen es tatsächlich alle irgendwie in die Bahn und der Waggon ist voll, dummerweise steigen an den kommenden Stationen noch gefühlt weitere 100 Leute ein und aus die dazu zum Teil über unser Gepäck steigen müssen. Ein Traum, wenn auch kein schöner.
Viel, viel, viel zu früh sind wir am Flughafen, haben aber dafür schnell unser Gepäck abgegeben und die Sicherheitskontrolle passiert. Wir lassen uns häuslich am Gate nieder und beginnen die Wartezeit mit lesen, spielen, spazieren o.ä. zu überbrücken. Durch die Fenster können wir den anhalten Starkregen und das Gewitter beobachten.
Sind zunächst nur Inlandsflüge von Streichungen oder Verspätungen betroffen, so trifft es irgendwann dann doch auch uns. Mit über einer Stunde Verspätung beginnt unsere Boarding, endlich in der Maschine wollen wir alle nur noch los. Dumm gelaufen, eine Passagierin ist nicht aufgetaucht, ihr Gepäckstück muss wieder ausgeladen werden aber auf Grund des Gewitters sind die Bodenarbeiten eingestellt. Nach gut einer Stunde konnten dann 20 Gepäckcontainer wieder aus- und eingeladen werden und wir verbringen irgendwo noch 30 Minuten auf dem Vorfeld bis es dann ziemlich unvermittelt losgeht. Das Essen passt zum Wetter: besch***, aber die Flugbegleiterinnen sind überaus freundlich und sehr zuvorkommend, auch wenn nach gefühlt einer Stunde alle der Damen meinen Namen kennen (Danke Jungs…). Es gelingt irgendwie eine Mütze Schlaf zu bekommen und so wirkt der Rückflug recht kurz im Vergleich zum Hinflug. In Frankfurt warten wir ewig auf das Gepäck (meines ist durch und durch nass) und sind dann bald in Seligenstadt am Ausgangspunkt unserer Reise. Wusch und weg sind sie, ab in die Ferien.
Eine spannende Reise mit vielen tollen Eindrücken und Gesprächen, kleinen und großen Erlebnissen und einer tollen Truppe ist zu Ende. Ich möchte euch allen für die tolle Zeit danken!
Lieber Herr Kollege, laut Aussage der Unseren bei diesem Austausch wären wir beide zwar wie ein altes Ehepaar, aber hey: Never change a winning team! Ich freue mich schon auf unsere nächste Reise! 2021 kann kommen!
Daniel Thomasd